Napoleons Kanonenkugel

Im Győrer Nachrichtenblatt vom Januar/Februar 1873 wurde darüber diskutiert, ob Napoleon wirklich in Győr gewesen sei.

Das Thema wurde damit abgeschlossen, dass wir ganz sicher wissen: Er war hier. Und noch im selben Jahr wurde die Gedenktafel an der Fassade des Napoleon-Hauses (damals Bezerédj-Haus) angebracht: „In diesem Haus nahm Napoleon I. am 31. August 1809 Quartier.“

Am 10. April 1809 brach zwischen Österreich und Frankreich der Krieg aus. Einen Monat später zog Napoleon in Wien ein, dann gab er seinen Aufruf an die Ungarn heraus, in denen er sie aufforderte, sich von den Habsburgern zu trennen und einen eigenen König für die Nation zu wählen.

Ähnlich ging er vorher in Spanien und Polen vor, und wie es sich auch dort herausstellte, hatte er überhaupt nicht im Sinn, diesen Nationen echte Autonomie zu gewähren. In die tatsächlichen Machtpositionen setzte er seine eigenen Verwandten und Vertrauten.

Der Versuch, die Ungarn gegen Österreich aufzuwiegeln kam auch nicht daher, dass ihm die Interessen der ungarischen Adligen am Herzen lagen. Er folgte dem seit Jahrtausenden bewährten Prinzip „Divide et impera“, um das Österreichische Kaiserreich zwischen zwei Fronten zu drängen.

Der ungarische Adel wusste genau, worauf das Spiel hinauslief und womit sie nach dem spanischen und polnischen Muster rechnen können. Ungarn stand auf der Seite Österreichs, die vom Adel pflichtgemäß aufgebotenen Insurrektionstruppen versammelten sich in Győr. Nach Österreichs Kriegserklärung wurde Westungarn zum Aufzugsgebiet des Heeres, aber nicht mit dem Ziel der Eroberung.

Dass die österreich-ungarische Armee in der sog. „Schlacht bei Raab“ ( „Kismegyeri csata“) am 14. Juni 1809 zum Rückzug blies, dabei spielten eine Menge Faktoren eine Rolle: die sich in schlechtem Zustand befindenden, aus Bauern zusammengetrommelten kaiserlichen und die ungeordneten, hungrigen Truppen der ungarischen Adligen; mangelnde Versorgung; unerfahrene, die Kriegslage nicht ausreichend erkennende Entscheidungsträger; Geschwisterrivalität zwischen dem Palatin und dem Oberkommandierenden, höfische Intrigen.

Aber was führte den Kaiser nach Győr?

Ziel seines Besuchs war, die örtlichen Festungen, Schanzen, Basteien, Verteidigungslinien selbst zu begutachten und sich einen Überblick zu verschaffen.

Den zeitgemäßen Aufzeichnungen zufolge traf er in Begleitung von hochrangigen Offizieren ein, unter denen auch sein Stiefsohn war. Er kam in einer sechsspännigen Kutsche durch das Wienertor, und bei seiner Ankunft läuteten alle Glocken der Stadt.

Man erzählt sich, er habe in Gesellschaft seines Dolmetschers, des sieben Sprachen sprechenden früheren jakobinischen Anwaltes und späteren Getreidehändlers András Lehner, und dessen Familie zu Abend gespeist. Und zwar in der Herberge „Fehérló“ („Weißes Ross“), die Lehners Schwiegervater gehörte.

Napoleon konnte nicht vorsichtig genug sein, und bevor er etwas von den vorgesetzten Speisen aß, wurden Lehners Gattin und Sohn zu kaiserlichen Vorkostern befördert.

Der Legende nach blieb auch Zeit für Zerstreuung, denn die Stadt feierte pflichtgemäß Napoleons 40. Geburtstag, der zwei Wochen vor seiner Ankunft gewesen war. Die Feierlichkeiten waren aber zu laut und störten den Herrscher in seiner nächtlichen Ruhe. Da er ein jähzorniger Mann war, griff er nach der erstbesten Kanonenkugel und warf diese aus dem Fenster, um damit sein Missfallen zum Ausdruck zu bringen.

Seitdem erinnert die in der Wand des gegenüber stehenden Probst-Hauses sitzende Eisenkugel an den Besuch des Kaisers, der Name Győrs hingegen wurde – als Raab – auf den Triumphbogen bei den siegreichen Schlachten eingemeißelt.

 

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