Herme des Heiligen Ladislaus

Die Herme steht für ein Kopfreliquiar, in diesem Fall enthält es einen Teil des Schädels des Königs Ladislaus des Heiligen. Wir können mit Gewissheit behaupten, dass es sich bei diesem Reliquiar um das wertvollste Stück der ungarischen Goldschmiedekunst handelt.

Der Kopfteil der Herme wurde aus vergoldeten gebogenen Silberplatten gefertigt. In ihrem Inneren befindet sich in einem verzierten Silberetui die Schädelreliquie. Die Verarbeitung am Schulter- und Brustteil erfolgte mit der sog. Filigranemailtechnik, die aus dem Byzanz des 14. Jahrhunderts stammt und sich über Venedig in allen Teilen Europas verbreitete. In Ungarn wurde die Technik in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bekannt. Was macht diese Technik überhaupt aus? Auf der Oberfläche des Stückes, das verziert werden soll, werden kleine Plättchen befestigt, darauf wird gedrehter Silberdraht (Filigran) gelötet, und so entstehen Zellen, die zwischen den Drähten mit Email ausgefüllt werden. Das Email zieht sich während des Ausbrennens zusammen, so heben sich die Filigrandrähte von der Oberfläche ab.

Die Fachwelt diskutierte lange darüber, wer die Meister waren, die die Herme schufen. Ein Lager identifizierte sie mit Márton und György Kolozsvári, und in der Herme sahen sie das Portrait von Béla III. – in der Zeit seiner Herrschaft wurde Ladislaus heiliggesprochen. Einer anderen Meinung zufolge entstand der Kopfteil früher, in der Überganszeit vom 12. bis 13. Jahrhundert in der Werkstatt eines gewissen Meisters Dénes.

Es ist bekannt, dass das Grab vor der Heiligsprechung 1192 dem zeitgenössischen Brauch entsprechend geöffnet wurde, Kopf und Arme in gesonderte Reliquienbehälter gelegt wurden, um sie zum Gegenstand religiöser Verehrung zu machen. Danach erwähnen Quellen 1273, dass der Schädelknochen des Heiligen Ladislaus an seinem Bestattungsort in der Kathedrale von Nagyvárad in einem Kopfreliquiar aufbewahrt wird, und dass man die Reliquie beim Ablegen von Eiden benutzt. Laut einer Urkunde Königs Zsigmond wurde die Herme 1406 bei einem Feuer zerstört, die Reliquie blieb jedoch wie durch ein Wunder erhalten. Zu dieser Zeit, irgendwann zwischen 1406 und 1443, muss das auch heute noch erhaltene, neue Behältnis mit der oben beschriebenen Technik gefertigt worden sein. Denn in dem Jahr stürzte der Turm der Kathedrale in Nagyvárad ein, unter dem die Reliquie aufbewahrt war, aber diese erlitt trotzdem keinen Schaden.

Dem Legendar zufolge wurde das Grab des heiligen Königs 1565 ausgeraubt, aber Bischof Demeter Náprági gelang es, den Reliquienbehälter zurückzuholen. Als der Bischof Nagyvárad wegen der Katholikenverfolgung verlassen musste, nahm er ihn mit nach Gyulafehérvár und Bratislava, dann 1607 nach Győr. So gelangte auch nicht viel später mit dem Bischof Walter Lynch das Bild der Madonna nach Győr, die später blutige Tränen weinte.

Bischof Demeter ließ das Reliquiar in Prag restaurieren, dabei erhielt es den heutigen Hals und Halsring, und an die Stelle der gotischen Krone kam die heutige, deren zehn Zacken böhmische Granate, Glas- und farblose Quarzeinlagen schmücken.

Schon vor der Ankunft Demeter Náprágis pflegte die Stadt den Kult um den Ritterkönig, von dem Augenblick an aber, in den diese bedeutende nationale Reliquie hier ihren Platz fand, betrachtete Győr den heiligen König als ihren eigenen Patron. In Verbindung damit steht auch die Geschichte des Erdbebens von 1763, der Győr einen bis heute gepflegten Brauch und eine weitere Legende zu verdanken hat. Mehr dazu ist hier zu lesen.

2011 wurde die Herme für vier Tage geöffnet, und es begann eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung, bei der die Wissenschaftler – Ärzte, Anthropologen, technische Experten – Antworten auf verschiedene Fragen suchten, z.B. ob sich in der Herme wirklich eine Schädelreliquie befindet, ob es sich um den ganzen Schädel oder nur um einen Teil davon handelt, vor allem aber, ob die Reliquie tatsächlich dem Ritterkönig zuzuordnen ist.

Vom Schädel fehlen der Unterkiefer und ein großer Teil der Zähne, bzw. fehlen auch an anderen Stellen kleinere Teile, wahrscheinlich, weil mehrmals kleinere Reliquienteile davon abgetrennt wurden. U.a. nahm beispielsweise der Győrer Suffraganbischof János Simor als Andenken eine Knochenreliquie – einen Zahn – des Heiligen Ladislaus mit, als er 1867 Erzbischof von Esztergom wurde. Diese wird bis heute in der dortigen Basilika in dem prachtvollen Reliquiar aufbewahrt, das er in Wien anfertigen ließ. Für die Untersuchungen mussten ein weiteres kleines Knochenstück und einer der drei verbliebenen Zähne geopfert werden. Als erste Tatsache wurde festgestellt, dass Ladislaus der Heilige zum Zeitpunkt seines Todes völlig gesund war.

Die anthropologische Untersuchung bestärkte in vielerlei Hinsicht, dass die Herme tatsächlich den Schädel des Heiligen Ladislaus enthält. Die am Scheitel des Schädels befindliche Verfärbung entspricht den Öffnungen des Reliquiars und entstand sicherlich im Laufe der Jahrhunderte, was ein sicherer Beleg dafür ist, dass im Behälter der Schädel aufbewahrt wurde, der ursprünglich hineingelegt worden war. Ebenfalls auf die Person des Heiligen Ladislaus kann hindeuten, dass sich in der Herme der Schädel eines 45–55 Jahre alten Mannes mit stark männlichen Gesichtszügen befindet. Das zeigt die Gesichtsrekonstruktion, die andererseits ziemliche Ähnlichkeit mit dem Gesicht zeigt, das nach dem Schädel Bélas III. angefertigt wurde.

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